6. April 2023

Nicht auf die lange Bank schieben

Gastbeitrag bei portfolio institutionell

Das Globale Rahmenabkommen zu Biodiversität, auf das sich die Staatengemeinschaft im Dezember in Montreal einigte, wird oft als Pariser Abkommen für die Natur gefeiert. Dass diese Bezeichnung aus Finanzsicht zutrifft, zeigt der analog zum berühmten Artikel 2 (1) c des Klimaabkommens aufgenommene Passus, nachdem sich die Finanzströme an den Biodiversitätszielen orientieren sollen.

Das Abkommen enthält weitere Vorgaben mit Kapitalmarkt-Relevanz: So soll Biodiversität in alle Branchen voll integriert werden und große und transnationale Unternehmen und Finanzinstitutionen sollen künftig entlang ihrer Tätigkeiten, Portfolios sowie Liefer- und Wertschöpfungsketten Risiken, Abhängigkeiten und Wirkungen mit Blick auf die Artenvielfalt überwachen, bewerten und offenlegen.

Der Finanzmarkt spielt zudem eine Rolle, um Kapital für Schutz und Wiederherstellung der Natur zu mobilisieren. Das Abkommen benennt Instrumente wie Impact-Fonds oder Green Bonds. Nun sind primär die Staaten am Zug. Für den Finanzbereich gibt es in Europa bereits Anknüpfungspunkte, etwa die Taxonomie mit dem Umweltziel „Schutz und Wiederherstellung der Biodiversität und der Ökosysteme“ oder die Novelle zur ESG-Berichterstattung.

Zudem berücksichtigen einige Finanzinstitutionen bereits heute Risiken und Auswirkungen von Biodiversität: Sie schließen schädliche Branchen aus, definieren Mindeststandards, finanzieren Lösungen wie eine nachhaltige Landwirtschaft oder setzen Dialogstrategien ein. Jedoch stoßen sie an Grenzen. Denn zum einen ist Biodiversität komplex. Reichen beim Klimawandel wenige Messgrößen, geht es bei der Biodiversität um viele Aspekte wie Wasserverbrauch, Flächennutzung oder Verschmutzung. Auch spielen standortbezogene Faktoren eine große Rolle. Zum anderen manifestiert sich der Verlust der Artenvielfalt für die Wirtschaft – anders als der Klimawandel – bislang kaum als transitorisches Risiko.

Daher ist auch die Berichterstattung zu Biodiversität vielfach noch recht dünn – auch wenn Dienstleister wie imug rating weiterhelfen und bestmögliche Daten liefern. Angesichts der Schwierigkeiten einfach abzuwarten und zuzuschauen, wäre jedoch die falsche Strategie. Denn Finanzinstitutionen, die Biodiversitätsfragen jetzt aktiv angehen, erhalten die Chance, eine Pionierrolle einzunehmen und sind gewappnet, wenn die Politik nachzieht und das Globale Rahmenabkommen zu Biodiversität in verbindliche Gesetze gießt. Tempo und beherztes Zupacken sind das Gebot der Stunde – im Sinne der Zukunftsfähigkeit der Wirtschaft und dem Erhalt unser aller Lebensgrundlagen.


Dieser Beitrag erschien zuerst bei portfolio institutionell (Ausgabe Februar 2023).

Gesa Vögele

Gesa Vögele

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