Das Vereinigte Königreich bleibt in Sachen Green Finance häufig nah an der EU-Agenda, wartet aber auch mit erfrischend anderen Ansätzen auf. Was können wir von dem Land lernen, das für sich die Global Leadership in Green Finance beansprucht? Eine Annäherung in drei Teilen.
Dass Großbritannien die EU verlassen hat, kann auch mit Blick auf Sustainable Finance als Verlust angesehen werden. Denn der ehemalige Mitgliedsstaat – oder vielmehr die ihn repräsentierenden Menschen – wirkten für das Thema oftmals als Impulsgeber*innen. Um ein Beispiel in Erinnerung zu rufen, sei die damalige britische Europaabgeordnete Molly Scott Cato genannt.
Sie war 2018 dafür verantwortlich, die Position des Parlaments zum Abschlussbericht der damaligen High-Level Expert Group on Sustainable Finance (HLEG) zu erarbeiten. Der veröffentlichte Entwurf fiel ambitioniert aus: Er unterstützte die Empfehlungen der HLEG weitgehend und enthielt zusätzliche Forderungen. Vieles davon wurde in die vom Europäischen Parlament verabschiedete Position zu Sustainable Finance übernommen und belebte die Debatte.
Parallel zum EU-Geschehen liefen in Großbritannien bereits vielfache nationale Arbeiten an einer entsprechenden Agenda. Die im Oktober 2017 von der britischen Regierung veröffentlichte Clean Growth Strategy kann als Start einiger wichtiger Schritte in der jüngeren Vergangenheit genannt werden. Darin wird angekündigt, eine Green Finance Taskforce einzurichten und die Notwendigkeit betont, die Entwicklung von Green Finance zu unterstützen.
Im Januar 2018 legte die britische Regierung mit einem 25-Jahres-Umweltplan nach. Dieser knüpft direkt an die Clean Growth Strategy an. Green und Climate Finance spielen dort wichtige Rollen. Der Plan formuliert das Ziel, Investitionen des Privatsektors für ein sauberes Wachstum im Sinne des Umweltplans nutzbar zu machen.
Die erste britische Green-Finance-Strategie
Im Juli 2019, also noch vor dem offiziellen Brexit-Termin am 1. Februar des Folgejahres, war es dann soweit: Unter dem Titel Green Finance Strategy – Transforming Finance for a Greener Future legte das Vereinigte Königreich seine erste Strategie zum Thema vor. Sie basiert auf den Arbeiten der in der Clean Growth Strategy von 2017 angekündigten Green Finance Taskforce, die zwischenzeitlich eingesetzt wurde.
Die Strategie schließt zum einen nahtlos an die zuvor genannten Politikpapiere an. Denn sie spinnt die dort enthaltenen Elemente und Narrative konsequent weiter – zum Beispiel den Anspruch Großbritanniens auf eine globale Führungsrolle und das Herausstellen der mit Green Finance verknüpften Chancen für das Wirtschaftswachstum sowie die Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaft. Letzteres wird unter anderem durch einen direkten Bezug auf die britische Industrie-Strategie deutlich.
Zum anderen klingen neue Themen an: Es werden Handlungsbedarfe in Sachen Transparenz, Rahmenwerke und einem gemeinsamen Verständnis von Green Finance formuliert. Auch der Begriff Taxonomie fällt. Auffällig ist außerdem, dass Potenziale möglicher Partnerschaften und Kooperationen mit Ländern außerhalb der EU, insbesondere mit Entwicklungs- und Schwellenländern wie China, Mexiko, Brasilien oder Indien, aufgezeigt werden.
Mit dem Zehn-Punkte-Plan zu einer grünen industriellen Revolution vom November 2020 – bei dem sich Punkt 8 auf Investitionen in Kohlenstoffabscheidung, -nutzung und -lagerung bezieht und Punkt 10 auf Green Finance and Innovation – und dem einen Monat später vorgelegten Whitepaper zum Thema Energie ging Großbritannien nicht nur weitere Schritte seiner grünen Agenda, sondern bereitete zugleich die COP 26, sprich den jährlichen und im Herbst 2021 im schottischen Glasgow stattgefundenen Weltklimagipfel vor.
Rechtzeitig zu diesem klimapolitischen Großereignis schaffte es die britische Regierung, aus ihrer Green-Finance-Strategie eine Roadmap abzuleiten: Im Oktober 2021 präsentierte sie das Politikpapier Greening Finance: A Roadmap to Sustainable Investing. Am 2. November 2021 legte der damalige Finanz- und heutige Premierminister Rishi Sunak zudem mit einem Papier nach, das beschreibt, wie Großbritannien zum weltweit ersten Netto-Null-Finanzplatz werden soll.
Green Finance Roadmap erscheint pünktlich zur COP 26
Während die Erklärung zum Netto-Null-Finanzplatz insbesondere im Zusammenhang mit dem Finance Day der COP 26 zu sehen ist, der seinerseits ganz im Zeichen der zuvor ins Leben gerufenen und mittlerweile teils kritisierten Glasgow Financial Alliance for Net Zero stand, sieht die Roadmap ein umfassendes Maßnahmenbündel vor. Dazu zählen Offenlegungspflichten, eine britische grüne Taxonomie und das Ziel, einen globalen systemischen Wandel im Finanzsystem zu unterstützen.
Vorschläge der GTAG für ein zu entwickelndes Klassifikationssystem
Speziell mit Blick auf die britische grüne Taxonomie ist 2021 und bereits vor Veröffentlichung der Roadmap eine Green Technical Advisory Group (GTAG) gegründet worden. Unter Leitung von Ingrid Holmes vom Green Finance Institute und Mitgliedern aus Finanz- und Realwirtschaft, Wissenschaft, Zivilgesellschaft sowie Umweltausschüssen befasste und befasst sie sich vor allem mit Fragen der Taxonomie. Die Arbeitsgruppe legte bislang zwei Berichte vor, darunter einen zur Entwicklung einer britischen grünen Taxonomie im Oktober 2022, der sich stark auf die EU-Taxonomie bezieht, und einen weiteren im Februar 2023, der auf Fragen der internationalen Interoperabilität eingeht.
Weiteres Beratungsgremium zu Offenlegung und Siegeln
Neben der GTAG ist 2021 die Disclosures and Labels Advisory Group (DLAG) eingerichtet worden, um die britische Finanzaufsichtsbehörde FCA, von der sie auch geleitet wird, zu beraten. Sie besteht aus 15 Mitgliedern, darunter beispielsweise die British Standards Institution, PRI oder ShareAction sowie Beobachter*innen aus der Regierung. Die Arbeitsgruppe legte bereits Empfehlungen vor, die vor allem mit Blick auf vorgeschlagene Siegel eine genauere Betrachtung verdienen.
Teil II der Blogbeiträge zu Green Finance in Großbritannien wird Vorschläge diskutieren, wie nachhaltige Finanzprodukte verständlich und klar kategorisiert werden können. Die Fachgruppe DLAG präsentierte sowohl im Vergleich zu den Produktkategorien im Rahmen von MiFID II und IDD als auch zu dem in Deutschland diskutierten Ampelmodell einen eigenständigen Ansatz.