Das Vereinigte Königreich bleibt in Sachen Green Finance häufig nah an der EU-Agenda, wartet aber auch mit erfrischend anderen Ansätzen auf. Was können wir von dem Land lernen, das für sich die Global Leadership in Green Finance beansprucht? Eine Annäherung in drei Teilen.
Im März 2023 veröffentlichte die britische Regierung eine neue, aktualisierte Strategie zu Green Finance. Sie trägt den Titel Green Finance Strategy – Mobilising Green Investment und knüpft an die Roadmap aus 2021 und ihr Pendant aus 2019 an. Über 100 Antworten aus einer Konsultation vom Mai 2022 sind in das Regierungspapier eingeflossen, das folgende fünf Ziele formuliert:
- Die britische Finanzbranche unterstützen, von der Transformation der globalen Wirtschaft zu profitieren
- Sicherstellen, dass genügend (privates) Kapital für Investitionen in die grüne Wirtschaft zur Verfügung steht
- Finanzielle Stabilität gewährleisten, indem die Finanzbranche alle relevanten Informationen erhält, um Risiken aufgrund von Klimawandel und Naturzerstörung bewältigen zu können
- Die Anpassung an den Klimawandel und die Natur einbeziehen
- Die globalen Finanzströme an Klima- und Naturschutzzielen ausrichten
Alle diese fünf Ziele sollen dazu beitragen, die von Großbritannien für diesen Bereich reklamierte globale Führungsrolle weiter zu stärken und auszubauen.
Das Vereinigte Königreich setzt auf Transition Finance
Ganz besonders setzt das Land darauf, Finanzierungskonzepte für den Übergang, genannt Transition Finance, zu fördern. Hierzu hatte auch die EU am 13. Juni 2023 Empfehlungen veröffentlicht. Im Vereinigten Königreich steht das Thema jedoch schon länger auf der Agenda und die Maßnahmen, die bereits ergriffen wurden, sowie die weiteren Pläne scheinen weitgehender zu sein.
So startete dort im April 2022 eine Transition Plan Taskforce, deren Einrichtung auf der COP26 im schottischen Glasgow verkündet worden war. Sie erarbeitete mittlerweile einen zentralen sektorneutralen Offenlegungsrahmen für Transition Plans sowie zusätzliche sektorale Leitlinien. Zu letzteren gab es im Herbst 2023 eine Konsultation. Im Frühjahr 2024 werden die finalen Leitlinien für Einzelsektoren erwartet.
Transition Plans sind eine Grundvoraussetzung für Transition Finance. Hierbei geht es darum, Unternehmen, die hohe Emissionen haben, sich aber dekarbonisieren wollen, die dafür nötigen Finanzmittel zur Verfügung zu stellen. Derartigen Investitionen wird oftmals ein viel höheres Wirkungspotenzial zugesprochen als Investitionen in Unternehmen, die bereits emissionsarm oder grün sind. Grundsätzlich können Transition Plans auch soziale Aspekte und Maßnahmen für ökologische Herausforderungen jenseits des Klimawandels enthalten.
Die britische grüne Taxonomie
Mit Blick auf eine grüne Taxonomie sollte seitens der britischen politischen Verantwortlichen eine Konsultation im dritten Quartal 2023 eingeleitet werden. Anstatt Informationen hierzu, finden sich jedoch lediglich Aufrufe an die Regierung, etwa von der dortigen Sustainable Investment and Finance Association UKSIF, eine solche Konsultation auch tatsächlich zu starten.
Inhalt der Konsultation wären die von der zuständigen Fachgruppe, der Green Technical Advisory Group (GTAG), im September 2023 vorgelegten Empfehlungen, die sich aus mehreren Teilberichten speisen. Auch sogenannte Transition-Tätigkeiten sind analog zur EU-Taxonomie vorgesehen. Jedoch lassen die Tonalität und der Fokus auf Transition-Themen im Vereinigten Königreich darauf schließen, dass es hier weitgehendere Pläne als in Kontinentaleuropa geben könnte, wo es zwar zu einer erweiterten grünen Taxonomie einen Vorschlag gab, der aber offenbar nicht weiterverfolgt wird.
Zudem hatte die britische Regierung bereits durchblicken lassen, dass sie in einer Taxonomie, so sie denn überhaupt kommen wird, Kernkraft als grüne Wirtschaftstätigkeit sehen würde. Dies überrascht nicht. Schließlich enthält die britische Green-Finance-Strategie das bereits umgesetzte Vorhaben, eine Great British Nuclear (GBN) genannte unabhängige Stelle einzurichten, die sich um die Umsetzung neuer Kernkraftprojekte kümmert. Im Januar 2024 gab die britische Regierung bekannt, die nukleare Stromerzeugungskapazität bis 2050 vervierfachen zu wollen.
In bislang vorliegenden Entwürfen ist analog zur Taxonomie der EU Kernkraft enthalten. Dies überrascht nicht. Schließlich enthält die britische Green-Finance-Strategie das Vorhaben, eine Great British Nuclear (GBN) genannte unabhängige Stelle einzurichten, die sich um die Umsetzung neuer Kernkraftprojekte kümmert.
Gas und Kernkraft auch in Großbritannien ein Thema
Zu Kernkraft in der britischen Taxonomie gab es jedoch auch kritische Debattenbeiträge. So verwies die GTAG einem Bericht zufolge bezüglich der Klassifizierung nuklearer Technologien und Erdgas als grüne Wirtschaftstätigkeiten auf rechtliche Risiken. In der EU sind diesbezüglich tatsächlich Klagen angekündigt worden bzw. anhängig. Darüber hinaus gibt es kritische Stimmen, die Erdgas per se als klimaschädlich einstufen und Kernkraft beispielsweise mit Blick auf mögliche Auswirkungen auf Wasser als risikobehaftet ansehen.
Ähnlich den Plänen der EU, die am 13. Juni 2023 den Vorschlag einer Verordnung zu Nachhaltigkeits-Rating-Agenturen veröffentlichte und hierzu am 5. Februar 2024 eine vorläufige Einigung zwischen Rat und Parlament erzielte, sieht das Vereinigte Königreich Maßnahmen zur Regulierung von ESG-Rating-Anbietern vor. Zeitgleich zur Veröffentlichung ihrer Green-Finance-Strategie startete es hierzu eine Konsultation, die Ende Juni geschlossen wurde. Laut Webseite des dortigen Finanzministeriums dauert die Auswertung der Ergebnisse noch an.
Großbritannien setzt andere Akzente als die EU
Wer aus einer Vogelperspektive die Strategien und Maßnahmen in Großbritannien und der EU vergleicht, wird durchaus Unterschiede feststellen. Unter anderem fällt das Wording ins Auge: Während im europäischen Staatenverbund durchweg von Sustainable Finance die Rede ist, heißt es im Vereinigten Königreich konsequent Green Finance. Zwar fallen dort in den Papieren hin und wieder Begriffe wie Just Transition, die soziale Komponente findet jedoch deutlich weniger Berücksichtigung als in der EU, wo beispielsweise eine soziale Taxonomie, wenn auch nicht umgesetzt, so doch immerhin als Vorschlag ausgearbeitet und breiter diskutiert worden ist.
Werden die Strategien aus der Perspektive der Prioritäten betrachtet, zeigt sich darüber hinaus, dass britische Argumentationslinien denen der EU zwar stark ähneln, aber die Prioritäten voneinander abweichen. Aspekte wie Wettbewerbsfähigkeit und Wirtschaftswachstum werden dort stärker akzentuiert. So steht eine Ausrichtung der Finanzströme an den Klima- und Naturzielen dort erst an fünfter Stelle. Die EU-Strategie für Sustainable Finance von 2018 führt dieses Ziel dagegen auf Platz 1 an.
20 Milliarden für Abspeicherung und Lagerung von Kohlenstoff
All den Strategien, Roadmaps und Diskussionspapieren zum Trotz säen Nachrichten aus Großbritannien vom vergangenen Sommer Zweifel am dortigen Klimakurs. Denn dort wurden vor einiger Zeit nicht nur Emissionsrechte für die heimische Industrie vergünstigt, sondern regierungsseitig auch neue Lizenzen für Öl- und Gas-Bohrungen zugesagt. Gleichzeitig kündigte der britische Premierminister Rishi Sunak weitere Projekte an, um zuvor gesammeltes und abgetrenntes Kohlendioxid unter der Erde und unter der Nordsee zu speichern. Für derartige Technologien, die teils sehr skeptisch beurteilt und als Beitrag zur Verzögerung echter Emissionssenkungen angesehen werden, sieht das Vereinigte Königreich Förderungen in Höhe von 20 Milliarden GBP vor.
Technologien, die beim Kampf gegen den Klimawandel helfen können, sind im Zusammenhang mit Transition Finance und damit Transition Plans von großer Relevanz. Berichten zufolge plant die britische Regierung, die Erstellung und Offenlegung solcher Pläne für große öffentliche und private Unternehmen auf der Grundlage des TPT-Offenlegungsrahmens verbindlich vorzuschreiben. Laut Medienberichten wird von den Unternehmen erwartet, dass sie beginnend mit 2026 regelmäßig über ihre Transition Plans aus dem Vorjahr berichten.
Weitere Entwicklungen zum Übergang zu einer klimafreundlichen und naturverträglichen Wirtschaft und der entsprechenden Finanzierung, ob in Großbritannien oder in der EU, bleiben abzuwarten. Mit Blick auf die Nachhaltigkeitsbemühungen von Unternehmen und ESG-Ratings helfen in jedem Fall die Services von imug rating by EthiFinance, die alle Bereiche vom Management über Produkte und Dienstleistungen bis hin zu potenziellen Kontroversen abdecken.