Das Vereinigte Königreich bleibt in Sachen Green Finance häufig nah an der EU-Agenda, wartet aber auch mit erfrischend anderen Ansätzen auf. Was können wir von dem Land lernen, das für sich die Global Leadership in Green Finance beansprucht? Eine Annäherung in drei Teilen.
Die Frage, wie das anspruchsvolle Thema des nachhaltigen Investments möglichst transparent, verständlich und bedarfsgerecht vermittelt werden kann, treibt auch die Fachleute im Vereinigten Königreich um. Daher hat die bei der britischen Finanzaufsichtsbehörde FCA angesiedelte Disclosures and Labels Advisory Group (DLAG) das Diskussionspapier Sustainability Disclosure Requirements (SDR) and investment labels veröffentlicht. Es knüpft an die Green Finance Roadmap an und führte zu Diskussionen in der FCA, wie das Paper Matter of fact-sheets vom Oktober 2022 zeigt.
In dem Diskussionspapier behandelt die britische Finanzaufsicht Vorschläge der DLAG für verschiedene Kategorien von Finanzprodukten mit Blick auf Nachhaltigkeit. Folgende vier werden vorgeschlagen:
- Kein Nachhaltigkeitslabel: Investiert in Anlagen, die Kriterien für ein Nachhaltigkeitslabel nicht erfüllen
- Nachhaltige Ausrichtung: Investitionen in Vermögenswerte, die ökologisch und/oder sozial nachhaltig sind
- Nachhaltige Verbesserung: Investitionen in Vermögenswerte, die sich, auch als Reaktion auf Stewardship-Aktivitäten, im Laufe der Zeit verbessern
- Nachhaltige Wirkung: Investitionen in Vermögenswerte zur Lösung ökologischer oder sozialer Probleme, um eine positive, reale Wirkung zu erzielen
Die Kategorien sollen laut Paper nicht in einem hierarchischen Verhältnis zueinanderstehen, auch da dies nur schwerlich abbildbar sei. Vielmehr sollen sie dazu dienen, die unterschiedlichen Präferenzen von Verbraucher*innen widerzuspiegeln und allgemein dem Umstand Rechnung tragen, dass eine einheitliche Antwort auf die komplexe Thematik des nachhaltigen Investments kaum möglich ist.
Unterschiedliche Wünsche mit Blick auf nachhaltige Geldanlagen
Tatsächlich sind die Präferenzen unter Anleger*innen sehr unterschiedlich. Laut einer Umfrage, die für dieses Thema von der Green Technical Advisory Group (GTAG) herangezogen wurde, wollen 80 Prozent neben einer finanziellen Rendite, dass ihr Geld etwas Gutes bewirkt. 71 Prozent ist es wichtig, ihr Geld so zu investieren, dass die Umwelt geschützt wird. Weitere 71 Prozent wollen nicht, dass ihr Geld in unethische Anlagen fließt.
Ähnlich dürften die Präferenzen in Ländern des europäischen Festlands ausfallen. Die EU hat daher bei der sogenannten Nachhaltigkeitsfrage in der Finanzberatung, die in den Richtlinien MiFID II und IDD (Versicherungsbereich) geregelt sind, ebenfalls drei Kategorien nachhaltiger Finanzprodukte definiert, die sich zudem überschneiden können: Produkte mit einem Taxonomie-Anteil; Produkte mit einem Mindestanteil an sogenannten nachhaltigen Investments; und Produkte, die über Ausschlusskriterien oder Engagements nachteilige Nachhaltigkeitsauswirkungen, sogenannte PAIs, berücksichtigen.
Komplizierte und praxisferne EU-Regulierung
Das klingt nicht nur kompliziert, sondern ist es auch. Während die grundsätzliche Idee, Nachhaltigkeit verpflichtend in die Finanzberatung zu integrieren, fast unisono Zustimmung erhält, stieß die konkrete Umsetzung auf ein negatives Echo. Auch nach mittlerweile weit über einem Jahr Erfahrung mit der Regelung ist die Frustration groß.
Dabei wird es nicht per se als problematisch gesehen, die EU-Regulierung – insbesondere die Taxonomie- und die Offenlegungsverordnung – als Basis heranzuziehen, sondern komplizierte Gesetze in der Finanzberatung faktisch erklären zu müssen, was die Regulierung impliziert. Denn allein aufgrund des engen Zeitrahmens, der zur Verfügung steht, folgt das Risiko, dass wichtige Anliegen unter den Tisch fallen. Zudem unterstützen die drei Kategorien nicht optimal darin, häufige Missverständnisse bei nachhaltigen Investments zu erklären – etwa die Frage, warum bestimmte Titel im Portfolio zu finden sind.
Nachhaltigkeitsampel als Lösungsvorschlag aus Deutschland
Bei diesem Thema sieht der Sustainable-Finance-Beirat der Bundesregierung ebenfalls Verbesserungsbedarf. Sein präferiertes Modell ist eine Nachhaltigkeitsampel mit den Farben rot, gelb und grün. Sie soll, wie es in einem offenen Brief des Beirats vom Dezember 2022 heißt, die Transparenz der Nachhaltigkeitsmerkmale von Produkten erhöhen und die Verständlichkeit im Beratungsgespräch sowohl für Berater*innen als auch für Privatanleger*innen verbessern.
Vor dem Hintergrund der noch bis zum 15. Dezember 2023 laufenden Konsultation zur Offenlegungs-Verordnung könnte der Vorschlag aus Deutschland jedoch bald obsolet sein. Denn dort stehen wesentliche Neuerungen zur Diskussion, die sich auch auf die Vorgaben zur Nachhaltigkeitsfrage in der Finanzberatung auswirken werden – nämlich die Abschaffung der beiden Kategorien, die als Artikel-8- bzw. Artikel-9-Produkte bekannt geworden sind.
EU-Kommission lässt sich von Großbritannien inspirieren
Spannenderweise stellt die EU-Kommission nämlich die Frage, ob im Rahmen eines neuen Aufschlags Produktkategorien ganz ähnlich der britischen – nachhaltige Ausrichtung, Verbesserung und Wirkung – eingeführt werden sollten. Leicht abweichend teilt die EU-Kommission in ihren Vorschlägen die Kategorie Nachhaltige Ausrichtung nochmals in zwei Unterkategorien auf, von der eine auf Ausschlusskriterien und die andere auf Nachhaltigkeitsstandards oder nachhaltige Themen abzielt.
Diese Vorschläge der EU-Kommission kommen zumindest bei der niederländischen Finanzaufsichtsbehörde (AFM) gut an. Denn sie befürwortet in einem Positionspapier, die Produktkategorien Artikel 8 und 9 der Offenlegungs-Verordnung einzustampfen und stattdessen drei Nachhaltigkeitskategorien ganz im Sinne der britischen Vorschläge einzuführen.
Nachhaltige Produktkategorien mit Potenzial
Es darf die Vermutung geäußert werden, dass die AFM mit ihrer Präferenz nicht allein dastehen wird. Schließlich besticht die britische Vorlage dadurch, dass sie die Präferenzen der Anleger*innen und nicht eine bestehende Regulierung als Ausgangspunkt wählt. Wer nicht in Titel investieren möchte, die als unethisch wahrgenommen werden, kann Produkte der Kategorie Nachhaltige Ausrichtung wählen. Wem Impact besonders wichtig ist, kann vorbehaltlich finanzieller Aspekte das Label Nachhaltige Wirkung nahegelegt werden. Schließlich kann insbesondere die Kategorie Nachhaltige Verbesserung helfen, Engagement und Konzepte wie Transition Finance verständlich zu machen, die das Potenzial haben können, beispielsweise zum Umwelt- und Klimaschutz beizutragen.
Der britische Ansatz hat die Debatte in der EU belebt – mit möglicherweise größeren Implikationen. Und vor dem Hintergrund intensiver Diskussionen, insbesondere zur Wirkung nachhaltiger Investments, werden sich für Finanzakteure immer wieder neue Chancen, aber auch Herausforderungen ergeben. imug rating unterstützt Finanzakteure auf diesem Weg in einem sich beständig wandelnden Umfeld, indem es von der Analyse des Portfolios über die eigene nachhaltige Anlagestrategie bis hin zu Fragen der Nachhaltigkeits-Performance und des ESG-Reportings unterstützt.
Teil III wird sich mit den Plänen im Bereich Green Finance in Großbritannien befassen, die unter anderem stark auf Transition Finance setzen und die Einführung einer grünen Taxonomie vorsehen sowie regulatorische Maßnahmen für Nachhaltigkeits-Rating-Agenturen.