Raus aus der Kohle?
Nachdem sich der Markt für nachhaltige Investments über Jahrzehnte stetig entwickelt und bereits eine Reihe stilbildender Leitlinien, Selbstverpflichtungen und Best-Practice-Beispiele hervorbrachte, ist jetzt auch die Europäische Kommission auf den fahrenden Zug aufgesprungen: Deren ambitionierter neuer „Action Plan for Sustainable Finance“ legt den Schwerpunkt derzeit auf das Thema Umwelt und insbesondere den Klimaschutz.
Bei aller Kritik an diesem regulativen Vorgehen: Hier werden die Weichen dafür gestellt, dass grüner, klimafreundlicher Technologie auch seitens des Finanzmarkts dauerhaft Vorrang gewährt werden soll. Zu erwarten ist aber, dass sich durch diese EU-Initiative das wirtschaftliche Umfeld für CO2-intensive Energieträger weiter verschlechtern wird – und somit das Szenario einer „Carbon Bubble“ wahrscheinlicher wird. Unter diesem Begriff wird die Bewertung der Vorräte an fossilen Energieträgern in den Bilanzen der Kohle-, Öl- und Gasunternehmen diskutiert. Bis zu 80 Prozent der verfügbaren Reserven an fossilen Rohstoffen werden wertlos, so die Vertreter des Ansatzes, da sie nicht verbrannt werden dürfen, wenn der weltweite Temperaturanstieg tatsächlich auf maximal 2° begrenzt werden soll. Parallel dazu wächst die Divestment-Bewegung. Auch immer mehr deutsche Investoren, darunter Versicherer sowie Städte und Bundesländer, planen den Verkauf von Wertpapieren von Kohle-, Öl und Gas-Unternehmen. Zudem erfordern die Mindestkriterien des deutschen FNG Siegels für Nachhaltigkeits-Fonds seit diesem Jahr unter anderem den Ausschluss von Kohle-Investments sowie von Unternehmen, die Öl und Gas aus Teersanden und Fracking gewinnen.
Dennoch zweifelt manch ein Investor den Sinn und Zweck derartiger Aktivitäten noch immer an. In der Regel wird argumentiert, dass ein Divestment aus CO2-intensiver Energieerzeugung doch sowieso nichts bewirke, weil die entsprechenden Wertpapiere dann lediglich jemand anderem gehörten und die betreffenden Unternehmen auch weiterhin das Klima belasten. Das erscheint allerdings zynisch und verkennt die Mechanismen derartiger Entwicklungen ebenso wie die Kraft politischer Statements. Letztlich trägt jedes Investmentportfolio auch das Bild einer erwarteten oder erwünschten Zukunft in sich. Wie eine Zukunft jenseits der 2° Grenze aussieht, lässt sich im aktuellen IPCC-Bericht nachlesen. Richtig ist, dass sich der globale Klimawandel nicht allein mit der Dekarbonisierung von Portfolios aufhalten lässt. Vielmehr bedarf es dazu einer gemeinsamen Anstrengung von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Investoren können aber ihren Beitrag leisten – insbesondere, in dem sie die aus Divestments freiwerdenden Mittel in zukunftsfähige und klimafreundliche Lösungen reinvestieren und somit auch im eigenen Interesse langfristig werthaltige Portfolios entwickeln.